Gut überlegt ins "Next Generation" Projekt

Welche technischen Möglichkeiten gibt es dabei, welche Methoden und Architekturen eignen sich und was lohnt sich wo zu investieren?

Wir fragen nach bei unserem Experten André Bourqui, Suisse romande Director Senior Sales Consultant. Er hat schon viele Projekte im Bereich «next generation network» begleitet.

Ob die Pandemie schon ganz ausgestanden ist oder nicht – einige Lehren lassen sich bereits jetzt ziehen, zumindest was die Digitalisierung angeht. Homeoffice und Streaming verlangten vermehrt und durchgehend nach zuverlässigen und schnellen Broadband Verbindungen. Und im Gesundheitswesen hat die Krisensituation offengelegt, dass es noch einen grossen Nachholbedarf an standardisierten digitalen Services gibt. Aber auch in anderen Bereichen, sei es Business oder privat, werden neue Technologien wie Smart City/Home, IoT und Robotik an Bedeutung gewinnen. Covid hat das Tempo dieser Entwicklung zusätzlich beschleunigt und gleichzeitig Schwachstellen aufgedeckt. Jetzt gilt es zu agieren und die Infrastruktur für die nächste Generation vorzubereiten.

 

Welcher Situation begegnest Du am häufigsten, wenn es um Anfragen nach erweiterter Bandbreite geht?

Der Kunde hat eine DOCSIS 3.0 Infrastruktur und überlegt sich ob er in DOCSIS 3.1 oder neu in FTTH investieren soll. Dies hängt davon ab, was bereits an Infrastruktur vorhanden ist, welches Budget zur Verfügung steht und welche Dienste man anbieten möchte. Nicht ganz unwichtig ist auch die Frage wie schnell die neuen Bandbreiten verfügbar sein müssen in einem anspruchsvollen Marktumfeld mit starkem Wettbewerb. Man kann ein FTTH-Netz nicht von heute auf morgen aufbauen, sondern muss es in aufeinanderfolgenden Schritten über mehrere Jahre hinweg angehen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass bei einem Ausbau auch gleichzeitig immer noch alle Dienste für die Kunden bereit sein müssen und es zu möglichst wenigen und möglichst kurzen Unterbrechungen kommt. 

Welche Möglichkeiten, welche Architekturen gibt es für einen FTTH Ausbau?

Es gibt zahlreiche Technologien, die eine sanfte Migration vom DOCSIS HFC-Netzwerk zu FTTH ermöglichen und dabei mit der Leistung immer näher an Glasfaserteilnehmer kommen. Zum Beispiel: DAA (Distributed Access Architecture) mit D-CCAP Remote PHY/MACPHY oder RFoG oder MoCa.

Um ein FTTH-Netzwerk aufzubauen, muss man Folgendes definieren: die Topologie für Layer 1 und die Technologie für Layer 2. Bei ersterem geben die örtlichen Gegebenheiten und Einschränkungen – in der Stadt, Altstadt mit Baubeschränkungen, im Dorf, abseits auf dem Land etc. – die optimale Topologie des Netzwerks für das Einziehen der Rohre und Fasern vor. Das kann je nachdem hohe Kosten verursachen und beeinflusst damit natürlich stark die Entscheidungsfindung. Man kann aber sagen, dass die langfristig flexibelste Topologie die Punkt-zu-Punkt-Topologie (P2P) zwischen dem Abonnenten und dem Verteiler, dem sogenannten Point of Presence (PoP), ist. Das bedeutet, dass jeder Teilnehmer eine oder mehrere dedizierte Fasern bis zum PoP haben wird.

Wenn dies nicht möglich ist, muss eine Punkt-zu-Mehrpunkt-Topologie (P2MP) implementiert werden. Dabei werden optische Splitter oder Aktiv Switch in Straßenkabinetten oder unter der Straße in den Quartieren, nahe beim Kunden eingesetzt. Auch eine Mischung aus beiden Topologien ist möglich. Die Wahl der P2MP-Topologie zwingt einem jedoch später dazu eine P2MP-Technologie zu wählen, wenn man keine aktiven Komponenten im Gelände haben möchte. Eine P2P-Topologie ermöglicht die Implementierung beider Technologien P2P oder P2MP.

Wie geht es dann weiter? Auf Layer 2?

Nach der Topologie geht es darum die richtige Technologie zu wählen. Auch da gibt es verschiedene Möglichkeiten: P2P mit Ethernet-Switches in den PoPs und einer dedizierten Glasfaser pro Teilnehmer oder P2MP mit OLTs (Optical Line Terminal) nach den Standards und Protokollen GPON, XGS-PON,TWDM-PON, EPON, GEPON oder 10G-EPON und optischen Splittern in den PoPs oder auf dem Gelände: in den Straßenkabinetten oder unter der Straße.

 

 

Ziemliche Auswahl. Entscheiden nun die Kosten? Wie sieht es damit aus?

Das ist ganz unterschiedlich. Einerseits bestimmt das Gelände die Topologie des Netzes, andererseits entscheiden die Kunden, also die Netzbetreiber, was, wo und wie investiert wird. Es ist klar, dass langfristig nur ein Glasfasernetz in der Lage sein wird die wachsende Bandbreite zu unterstützen, aber die Investitionen sind kolossal. Dies vor allem wegen der Tiefbauarbeiten und Inneninstallationen. Da müssen Kabel ersetzt werden, die oft nicht in Rohre verlegt sind und der Austausch deswegen schwierig ist.  Dabei ist es wichtig zu wissen, dass bei der Verkabelung der Glasfaser vom Verteilerpunkt (PoP) bis zum Teilnehmer die eine Hälfte der Kosten bis zum Gebäude und die andere Hälfte für die Innenverkabelung anfällt. Wir erarbeiten jeweils zusammen mit dem Kunden das Budget aus – so optimal wie möglich für alle Beteiligten.

Was bedeutet dieser «Entscheidungskonflikt» - soll ich als Serviceprovider ins Netz investieren oder nicht - für die nächsten Jahre?

Man ist mittelfristig, ich denke da an 10 bis 20 Jahre, sicher gut beraten, wenn man die bestehende Infrastruktur so gut wie möglich ausbaut und nutzt. Immer natürlich im gesunden Kosten/Nutzenverhältnis. Aber gerade auch Krisenzeiten - wie während der Pandemie - zeigen auf wer immer rechtzeitig in sein Netz investiert, die technischen Möglichkeiten gut genutzt hat. Als weniger gutes Beispiel kann man da auch nach Deutschland schauen, wo seit Jahren ausserhalb der grossen Städte nichts oder sehr wenig in bestehende HFC Netze investiert wurde – in der Erwartung, dass Glasfaser dann schon mal kommt. Homeoffice war da vielerorts kaum möglich.

"Erweiterte Bandbreite ist eine sichere Sache für die Zukunft."

Ein Netzausbau ist also eine kostspielige Angelegenheit, die sich aber langfristig für Serviceprovider wahrscheinlich auszahlen wird. Wie sieht es aber für private oder öffentliche Unternehmen aus, die ihren Breitbandanschluss auf eigene Faust erweitern wollen? Für welche Unternehmen macht dies, Deiner Meinung nach, Sinn?

Ja, natürlich. Die Gewohnheit der Nutzer, Dokumente, Bilder und Videos auszutauschen und online zu arbeiten wird bleiben und auch in Unternehmen zunehmen. Ich denke dabei in erster Linie an Schulen und Krankenhäuser. Wobei an letztere sehr hohe Anforderungen gestellt werden – man denke da beispielsweise an Fernoperationen in Echtzeit durch Spezialisten aus der ganzen Welt. Dabei darf man nicht vergessen, dass jede Investition in eine erweiterte Bandbreite zwar im Moment einen grossen finanziellen Aufwand bedeutet, aber mit der zunehmenden Digitalisierung eine sichere Sache für die Zukunft ist. Aber es hat auch mit Sicherheit und Risikoabwägung zu tun. Kann man es sich leisten als Spital, dass bei hoher Auslastung des Netzes die Leistung abnimmt oder nicht mehr gesichert ist?

Was braucht es noch zusätzlich?

Von einer schnellen Bandbreite kann man nur profitieren, wenn sie über ein redundantes und sicheres Netzwerk genutzt wird. Die lokale Verbindung erfolgt heute zunehmend mobil und drahtlos über verschiedene Gerätetypen wie Smartphone, Tablet, Laptop usw. Eine moderne und leistungsfähige Wi-Fi-Infrastruktur mit der neuesten Generation Wi-Fi 6 ist heute als Ergänzung zum Kabelnetz unerlässlich. Man garantiert damit auch eine höhere Signalqualität.

"Die neuste Generation Wi-Fi 6 ist heute als Ergänzung zum Kabelnetz unerlässlich."

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